Know-how Eskimorolle
Die Eskimorolle lernen zu wollen, indem man einen Text liest, ist natürlich Blödsinn. Wer andererseits gerade dabei ist, sie zu üben, könnte an ein paar Überlegungen interessiert sein, die fürs Verständnis hilfreich sind.
Die Eskimorolle (auch „Kajakrolle“) ermöglicht dir, dich bei einer Kenterung wieder aufzurichten, ohne aussteigen und schwimmen zu müssen. Das spart erstens Zeit und Kraft und ist zweitens in schwierigerem Wildwasser auch viel sicherer als zu schwimmen.
Darüber, wann Einsteiger die Rolle lernen sollten, gibt es unterschiedliche Meinungen. Einerseits ist es von Vorteil, sie früh zu lernen, weil man dann mehr experimentieren und ausprobieren kann. Andererseits ist die Rolle eine sehr komplexe Bewegung, die verschiedene andere Techniken bereits voraussetzt, wie z.B. eine gute Sitzhaltung mit aktiver Körperspannung, eine gute Körperrotation, einen aktiven Hüftknick z.B. beim Stützen und ein verlässliches Bootsgefühl.
Am Anfang haben wir vor allem ein Problem: weder haben wir eine Vorstellung der Bewegung im Kopf, noch haben deine Muskeln ein Gefühl dafür, wie sie sich koordinieren sollen. Es fehlt dir die Wahrnehmung, was dein Körper wirklich tut und wie er sich bewegt. Deshalb ist es wichtig, unter geschulter Anleitung zu üben, so können wir beides mit der Zeit in Einklang bringen: eine gute Visualisierung des Ablaufs im Kopf und die Koordination der Bewegung durch den Körper. Irgendwann hilft nur noch, möglichst viele Wiederholungen zu machen, um den „muscle memory effect“ zu aktivieren, und andererseits jede kleine Abweichung als Fehler erlebbar zu machen. So verfeinert sich mit der Zeit die Bewegung und die Rolle wird effektiver.
Hilfreich kann auch sein, dich selbst beim Üben zu filmen, vor allem, wenn du die Aufnahme anschliessend mit einem guten Trainer besprechen kannst.
Methodik & Übungen für die Bogenschlagrolle
Die folgenden Übungen können dir helfen, dich auf das Abenteuer „Eskiomorolle“ einzulassen. Also beginnen wir am Anfang:
Übung 1)
Im Flachwasser ohne Strömung:
Du sitzt also im Kajak, das Paddel in der Hand, die Spritzdecke ist zu, das Wasser ist warm genug und nur so tief, dass du noch stehen kannst. Die erste Herausforderung besteht darin, nach dem Kentern nicht sofort die Spritzdecke zu ziehen. Ja, wirklich! Stattdessen solltest du – jetzt kopfüber im Kajak „hängend“ – dich über die Oberschenkel so im Boot verspannen, dass du nicht raus rutschst. Diesen Bootskontakt brauchst du für den Hüftknick, auf den wir später zu sprechen kommen.
Jetzt ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, damit du dich an diese ungewohnte Lage gewöhnen, und dich orientieren kannst. Wo ist unten und wo ist oben, wo ist vorne und hinten? Den Rest macht deine Nasenklammer (würde hier mein Freund & Mentor Dietmar sagen).
Mache deinen Körper klein, indem du dich aktiv nach vorne auf das Kajak beugst, das wird dir im Wildwasser helfen, dich vor Steinen zu schützen, an denen du möglicherweise vorbei treibst. Zähle auf 5, bevor du die Spritzdecke ziehst, aussteigst und seitlich heraus tauchst. Beim nächsten Mal zähle auf 10… Diese Übung ist so wichtig, weil sie den Drang unterdrückt, blind in Aktionismus zu verfallen. Zum Rollen brauchst du Ruhe und du brauchst Orientierung, und du brauchst die Nerven, auf den richtigen Moment zu warten um dich bewusst und ökonomisch koordinieren zu können.
Übung 2)
Du weisst also, wie es ist, kopfüber und unter Wasser im Kajak zu sitzen. Sehr gut! Aber lass nochmal einen Schritt zurück gehen. Es hört sich vielleicht komisch an, aber als nächstes würde ich die Rolle an Land ausprobieren.
Du kannst dich auf einer Wiese in dein Kajak setzen und mit dem Oberkörper so weit hinaus lehnen, dass du mit deinem Oberkörper auf den Boden kommst, dein Kajak kippt, und dann seitlich auf dir drauf liegt. Du kannst sogar dein Paddel in die Hand nehmen, es auf die Wiese hinausbewegen, bis es 90 Grad vom Boot weg zeigt. Wenn du jetzt deinen Körper auf den Boden drückst und dabei die Hüfte von dir weg drehst, kannst du die wichtigste Bewegung der Eskimorolle üben: den Hüftknick.
Stosse dich so lange vom Boden ab, bis das Boot wieder flach auf dem Boden unter deinem Körper liegt und du wieder aufrecht drin sitzen kannst. Dabei ist es wichtig, dass die Bewegung aus der Hüfte initiiert wird und dein Oberkörper so lange wie möglich den Kontakt zum Boden hält. Die Hüfte führt die Bewegung, der Oberkörper folgt. Dabei bleibt der Blick auf den Boden (auf das Paddel) gerichtet, bis der Körperschwerpunkt wieder sicher über dem Boot ist. Erst dann richtet sich der Oberkörper auf.
Übung 3)
Ist dir die Bewegung des Hüftknicks vertraut, kannst du wieder zurück ins Wasser und zum nächsten Schritt übergehen: die T-Rescue, oder Eskimo-Rettung. Das ist eine Eskimorolle, bei der nicht das Paddel zu Hilfe genommen wird, sondern der Bug eines anderen Bootes. Natürlich geht das auch mit dem Rand eines Beckens im Schwimmbad, oder mit allem, an das du nahe genug ran schwimmen kannst, wenn du gekentert bist. Und so geht’s:
Kopf über im Boot sitzend, bringst du deinen Oberkörper so nah wie möglich ans Boot und auf eine Seite, so dass deine Hände die Wasseroberfläche erreichen. Dort wartet im besten Fall das Boot deines Mitpaddlers, so dass du dich mit den Händen daran halten und darauf abstützen kannst. Jetzt kommt es wieder darauf an, den Hüftknick zu initiieren und möglichst lange damit zu warten, den Oberkörper aus dem Wasser und über das Boot zu nehmen. Dabei geht es viel mehr darum, das Boot unter dich drunter zu drehen, als darum, den Oberkörper aus dem Wasser und aufs Boot zu bekommen. Diese Übung kannst du in einem Schwimmbad oder einem See auch gut mit Schwimmbrettern anstelle eines anderen Bootes machen.
Übung 4)
Was jetzt noch fehlt ist, dein Paddel als Auftrieb einzusetzen (und die ganze Bewegunsabfolge elegant zu verknüpfen). Dafür kann diese Übung hilfreich sein: du stehst in hüfthohem Wasser und legst ein Paddelblatt mit der aktiven Seite nach unten und horizontal auf die Wasseroberfläche. Während du dieses Blatt jetzt auf einem Viertelkreis vor dir hin- und her bewegst, kannst du daran arbeiten, den optimalen Winkel für das Paddelblatt zu finden, so dass das Paddel in der Bewegung dynamischen Auftrieb erzeugt und trotz Druck nach unten an der Oberfläche gleitet. Auf dem Rückweg kippst du es im selben Winkel in die andere Richtung. Die Bewegung ist wie beim „Seitlich Versetzen“, nur dass das Paddel flach auf dem Wasser aufliegt.
Übung 5)
Frage deinen Trainer, ob er dein Paddel führen kann, während du im Boot sitzend die Rolle übst.
Übung 6)
Später beim Rollen wirst du ins Setup gehen, d.h. deinen Oberkörper nach vorne und zur Seite des Bootes rotieren, so dass deine Hände am Boot vorbei raus kommen. So kannst du dein Paddel von unten parallel zum Boot an die Oberfläche bringen in dem Bewusstsein, in welchem Winkel du mit dem Blatt den besten Auftrieb erzeugen kannst. Dann kannst du mit diesem eingestellten Blattwinkel das Paddel in einem Bogen nach aussen führen und dabei den Hüftknick initiieren, dem Paddelblatt nachschauen und dein Boot unter dich drehen. Wenn dann auch noch das Timing stimmt, hast du gerade deine erste Rolle gemacht!
Methodische Überlegungen fürs Vorgehen
- Breche den Lernprozess in möglichst kleine Schritte herunter. Es macht mehr Sinn, häufig einen kleinen Erfolg bei kleinen Schritten zu sammeln, als viel Frust bei zu komplexen Übungen. Wir lernen leichter durch Erfolge, als durch die Konfrontation mit unseren Fehlern. Sollte es sich anfühlen, als machst du ständig etwas falsch, frage deinen Trainer, welche Vorübung sinnvoll ist. Auf 1 Misserfolg sollten mindestens 3 Erfolgserlebnisse kommen.