Know-how: Wasser lesen, Strömungen erkennen & nutzen
Die Kunst des Wildwasser-Kajakfahrens besteht darin, Strömungen für eine ideale Linie – oder zum Spielen zu nutzen. Dabei kann ein- und dieselbe Stelle bei unterschiedlichen Wasserständen ganz unterschiedliche Strömungscharakteristika und Herausforderungen darstellen.
Fangen wir erst mal damit an, was es alles gibt, so können wir unser Auge schulen, um diese Strömungsformen im Bach zu erkennen.
Strömendes Wasser kann durch die Flusstopografie beschleunigt oder verlangsamt werden. An dem Übergang zwischen schneller und langsamer Strömung entsteht eine Verschneidungszone.
Beschleunigt wird Wasser z.B. durch
– das Gefälle nimmt zu
– die Abflussmenge nimmt zu
– das Bachbett wird enger
– das Bachbett wird flacher, d.h. die gleiche Menge an Wasser fliesst durch einen kleineren Querschnitt oder über ein unter Wasser liegendes Hindernis
– die Strömung trifft auf ein Hindernis, wie z.B. einen Stein, so wird das Wasser davor abgebremst, seitlich davon aber beschleunigt (auch weil es sich um eine Verengung handelt)
– Wasser fließt in der Mitte des Flusses schneller als am Ufer
Verlangsamt wird fliessendes Wasser z.B. durch
– das Gefälle nimmt ab (entweder durch seinen natürlichen Lauf oder durch ein Wehr)
– die Abflussmenge nimmt ab
– das Bachbett wird weiter
– das Backbett wird tiefer
– die Strömung trifft auf ein Hindernis, z.B. es wird vor einem Stein abgebremst… siehe oben
– Wasser fließt am Ufer langsamer als in der Mitte der Strömung
Dadurch, dass das Wasser durch ein Hindernis abgelenkt wird, oder sich das Bachbett verändert (Steine unter Wasser, Hindernis, das vom Wasser umflossen werden muss) entstehen unterschiedliche Formen von Fliess-Charakteristika oder Stromschnellen.
Je dynamischer und anspruchsvoller ein Fluss wird, umso mehr wird das strömende Wasser zu einer dreidimensionalen Angelegenheit. Reicht es bei einem leichten Schwierigkeitsgrad noch, sich die Strömung an der Oberfläche anzuschauen, müssen wir bei mehr Durchfluss und mehr Gefälle von einem dreidimensionalen Gebilde ausgehen, so Olli Grau in seinem Buch „Besser Wildwasserfahren“. Brechende Wellen, Walzen und pilzendes Wasser machen die Dynamik deutlich, die unter anderem dadurch entsteht, dass schon ein und dieselbe Strömung in unterschiedlicher Tiefe unterschiedliche Geschwindigkeiten hat (von ‚Mittel‘ an der Oberfläche über ‚Schnell‘ darunter bis zu ‚Langsam‘ am Grund) und durch die Topographie des Flusses alle Einflüsse „zusammenfliessen“.
Zu den wichtigsten Strömungsformen gehören:
- Hauptströmung
- Wellen
- Kehrwasser
- Verschneidungslinien bzw. -zonen
- Strömungs-V
- Walzen und Rückläufe
- Schultern und Strömungszungen
- Diagonale Wellen, Locken und diagonale Walzen
- Prallpolster, überspülte Steine und Prallwände
- Polster, pilzendes Wasser und Wirbel
- Stufe, Abfälle (ab einer gewissen Höhe auch „Wasserfall“)
- Unterspülungen, Siphone oder unterspülte Hindernisse (hoffentlich nicht!)
- Katarakt (Abschnitt mit mehr Gefälle und mehr Hindernissen)
Jede einzelne Strömungsform kann auf ihre Art fürs Wildwasserfahren mit einer spezifischen Technik und Taktik genutzt werden (oder sollte ganz vermieden bzw. umtragen werden). Die Basis für eine erfolgreiche Befahrung ist eine gute Verbindung zum Boot, eine aktive Grundhaltung mit leichter Vorlage, eine gute Line und das Verinnerlichen der aktiven Kante und einer flexibel stabilisierenden Hüfte.
Methodik & Übungen
- An einem beliebigen Flussabschnitt lässt sich ein Quiz daraus machen, wer welche Strömungsformen entdeckt
- Besprecht untereinander, welche Fahrtechnik und Taktik für die jeweilige Strömungsform möglich ist
- Legt eine mögliche Linie und eine Alternativlinie angesichts der am Flussabschnitt vorliegenden Strömungsformen fest