Know-how Strömungswinkel wählen, halten & verändern
Indem wir unser Kajak in einem Winkel zur Strömung stellen, können wir es dorthin steuern, wo wir hin wollen. Die Alternative ist es, das Boot immer in Richtung der Strömung zu halten, sozusagen geradeaus zu fahren. Wenn die Strömung auf ein Hindernis trifft, würden wir unweigerlich drauf zu fahren. Manchmal müssen wir unser Boot also seitlich zur Strömung versetzen, um auszuweichen, oder auch um ein Kehrwasser zu erreichen. Auch bei der Kehrwasserausfahrt spielt der Winkel, in dem wir unser Boot zur Strömung stellen, eine zentrale Rolle, um die seitlichen Kräfte auf unser Boot und damit die Drehung zu kontrollieren.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der „Strömungswinkel“ den Winkel zwischen der Strömungsrichtung und der Richtung unseres Bootes (in der Draufsicht) meint, fällt auf, dass dieses Thema eng verwandt ist mit der Taktik „Cross Current Momentum„. Man könnte auch sagen, dass der Strömungswinkel die kleine Schwester von „Cross Current Momentum“ ist. Wann immer wir unser Boot seitlich in einem Winkel zur Strömung bewegen, bauen wir „Cross Current Momentum“ auf und versetzen uns seitlich zur Strömung.
Wenn wir einmal betrachten, wie oft wir uns beim Paddeln seitlich zur Strömung versetzen, wird klar, weshalb es so wichtig ist, einen passenden Strömungswinkel zu wählen, zu halten, anzupassen oder zu verändern.
Den richtigen Strömungswinkel brauchen wir z.B. in folgenden Situationen
- beim Kehrwasserfahren
- beim Traversieren
- für das Surfen
- um das Strömungs-V zu erwischen
- Diagonale Wellen anfahren
- Walzen fahren
- beim Boofen
- eigentlich immer
Wenn wir von einem Winkel zur Strömung sprechen, hat es sich bewährt, die Richtung bildhaft als Uhrzeit anzugeben. Wenn wir also Flussauf schauen, wären „12 Uhr“ genau entgegengesetzt zur Strömung „bergauf“. Anstatt „45-Grad zur Strömung“ sagen wir zum Beispiel, dass wir auf ungefähr „2 Uhr“ aus dem Kehrwasser fahren. Geradewegs stromabwärts entspräche dann also „6 Uhr“.
Zwei Beispiele
Seilfähre & Traversieren
Bei der Seilfähre fahren wir mit relativ spitzem Winkel vom Kehrwasser in die Strömung, da wir das Boot nicht stromabwärts drehen möchten. 11:00 Uhr beziehungsweise 1:00 Uhr können als Anhaltspunkt gelten.
Kehrwasser fahren
Dadurch, dass wir den passenden Strömungswinkel wählen, können wir den Drehimpuls dosieren, der von der Strömung auf unser Boot wirkt. Möchten wir also einen kleineren Drehimpuls, können wir einen spitzeren Winkel fahren (z.B. Kehrwasserausfahrt auf 2 Uhr bzw. 10 Uhr), möchten wir mehr seitliche Einflüsse, also schneller stromabwärts drehen, fahren wir einen stumpferen Winkel. Die Gefahr dabei ist jedoch, dass das Boot nicht weit genug über die Verschneidungszone in die Strömung fährt. Im ersten Fall können wir unser Boot weiter in die Strömung steuern.
Um den Strömungswinkel halten und auch verändern zu können, hilft es, aktiv mit der Kante zu arbeiten, d.h. die strömungszugewandte Kante zu entlasten und die Bergab-Kante zu belasten. Je aktiver und variabler du mit der Gewichtsverteilung, bzw. der Spannung im Knie arbeitest, umso weniger musst du mit den Paddelschlägen stabilisieren (Aktive Kante).
Methodik & Übungen
- Fahre ein- und denselben Abschnitt einmal mit möglichst viel Geradeaus-Fahrt in Richtung der Strömung und lasse dich das zweite Mal möglichst oft quer treiben, indem du nur auf das potentielle Versetzen quer zur Strömung fokussierst. Wenn du die Richtung ändern willst, kannst du entweder das Boot 180 Grad drehen und dann paddeln oder (stattdessen) mit Vorwärts- oder Rückwärtsschlägen arbeiten, um ein Kehrwasser zu erreichen, eine Walze zu umfahren, usw.
- Mache dir zur Aufgabe, einen Fluss-Abschnitt mit einem Bootswinkel von 4 Uhr, bzw. 8 Uhr zu fahren. Fahre defensiv und achte dabei darauf, die flussabwärts-Kante zu belasten, damit dein Boot immer manövrierfähig bleibt.